100 Jahre Avus – Von Raketen und Rekorden

10. November 2021 Von Blog Comments Off

Die AVUS in Berlin zählte zu den spektakulärsten Strecken im Autorennsport. Es gibt einige interessante und kuriose Dinge über sie zu berichten.

Die Berliner AVUS liegt im Südwesten der deutschen Hauptstadt und bildet den nördlichen Teilabschnitt der A115. Vom Funkturm aus verläuft sie über 8,3 Kilometer Länge über den Grunewald bis nach Nikolassee. Bis 1998 diente sie an manchen Wochenenden als Rennstrecke. In der Gegenwart ist die Strecke ein beliebtes Ziel für Stadtrundfahrten und Sightseeing.

Ihr feierliches Debüt beging die AVUS-Strecke am 19. September 1921. Die AVUS-Abkürzung bedeutete „Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße“. Damit gehörte sie zu den Pionieren ihrer Art. So waren zu Beginn der 20-er-Jahre nur Straßen erlaubt, die auch von Fahrrädern und Fuhrwerken befahren werden konnten. Nun durften jedoch ausschließlich Kraftfahrzeuge und Motorräder die Strecke befahren. Jahrelang wurde die AVUS-Strecke zum Testen von Fahrbahnbelag genutzt. Obwohl sie als Vorläufer der Autobahn eingestuft wurde, handelte es sich bei ihr jedoch nicht um eine Autobahn, da diese nämlich eine Verbindung zwischen zwei Orten herstellt.

In den ersten Jahren wurde die AVUS-Strecke nur als Test- und Rennstrecke verwendet. Um sie befahren zu können, war eine Gebühr von 10 Mark zu entrichten.

Ein typisches Merkmal von Berlin

Die Idee für die AVUS-Strecke wurde im Jahr 1909 entwickelt. Die Bauarbeiten begannen 1913. Weil ein Jahr später allerdings der Erste Weltkrieg ausbrach, mussten die Arbeiten abrupt unterbrochen werden. So nahm es insgesamt 12 Jahre in Anspruch, bis die Strecke fertiggestellt werden konnte, was als typisches Merkmal von Berlin gilt.

Die Premiere der Rennstrecke

Schon fünf Tage nach der Eröffnung fand auf der AVUS-Strecke das erste Automobilrennen statt. Das spektakuläre Rennen lockte zahlreiche Besucher an, obwohl sich die Berliner dafür zunächst gar nicht begeisterten. Weil viele Bäume für die Schneise der Strecke weichen mussten, war sogar von „Baummord“ die Rede. Als das Rennen jedoch begann, waren sämtliche Zweifel gewichen.

Das AVUS-Rennen verlief seinerzeit vollkommen anders als der Motorsport in unserer Gegenwart. So war das Durchschnittstempo entscheidend und es wurde zu zwei Fahrern gestartet, sodass es gegeneinander ging. Als erster AVUS-Sieger trug sich Fritz von Opel in die Annalen ein. Dabei erzielte er eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 128,8 Stundenkilometern.

Rekord durch Fritz von Opel

Von Fritz von Opel wurden außerdem die ersten Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt. Schließlich wurden der Motorsport und die AVUS auch von der Raketentechnik erfasst. Mit dem Fahrzeug RAK2 gelang von Opel im Jahr 1928 eine Beschleunigung auf mehr als 230 Kilometer in der Stunde.

Geburt eines Stars

1926 wurde auf der AVUS-Strecke der erste Große Preis von Deutschland in internationaler Besetzung durchgeführt. Dabei kamen durch einen Unfall drei Menschen um Leben. Das Rennen wurde jedoch fortgesetzt. Sieger wurde am Ende Rudolf Caracciola, der danach zum Star und bekanntesten Rennfahrer der damaligen Zeit aufstieg.

Und immer neue Rekorde

Weil die AVUS-Strecke über lange Geraden verfügte, galt sie als weltweit schnellste Rennpiste. Für ein Tempolimit sorgten nur die Kurven. Damit die Geschwindigkeit auf hohem Niveau blieb, kam die Steilkurve hinzu. Durch eine Höhe von 12 Metern sowie einen Neigungswinkel von 43,6 Grad avancierte die Rennstrecke zu einem wahren Hexenkessel. Beim Startrennen der neuen Saison brachte es der Gewinner Hermann Lang mit seinem berühmten Silberpfeil von Mercedes-Benz auf beinahe 400 Stundenkilometer, was natürlich Spitzentempo bedeutete. Dabei wurde er von etwa 300.000 Zuschauern begeistert gefeiert.

Formel 1 auf der AVUS-Rennstrecke

Nach der Fürsprache von Berlins damaligem Bürgermeister Willy Brandt gastierte 1959 sogar die Formel 1 auf der AVUS-Strecke. Als Symbol der Annäherung erhielten Besucher aus Ost-Berlin ihr Ticket zum gleichen Preis in Ostmark wie die West-Berliner in D-Mark.

Als Sieger des Rennens ging der Brite Tony Brooks, der Ferrari fuhr, hervor. Weniger gut lief es für den deutschen Fahrer Hans Herrmann, dessen Wagen sich mehrmals überschlug, weil die Bremsen versagten. Dabei fiel Herrmann aus dem Wagen und wurde seitdem „Hans im Glück“ genannt, weil er ohne gravierende Verletzungen blieb. Dieses Glück hatte am Tage zuvor der Franzose Jean Behra beim Sportwagenrennen nicht. So kam er durch eine Kollision mit dem Fundament einer früheren Flugabwehrkanonen-Stellung ums Leben. Es galt als typisch für die spektakuläre AVUS-Rennstrecke, dass Tragik und Glück oft sehr dicht nebeneinander lagen.

Die Deutsche Tourenwagen Meisterschaft

Ab 1984 startete auch die DTM (Deutsche Tourenwagen Meisterschaft) auf der spektakulären Strecke, was für diese gewissermaßen den dritten Frühling bedeutete. Vor allem das Wiedervereinigungsrennen im Jahr 1990 brachte es auf große Spannung. Dabei startete Hans-Joachim Stuck mit einem Automobil, mit dem bereits sein Vater auf der gleichen Strecke unterwegs gewesen war. Mit diesem Audi V8 beendete Stuck das Rennen als Sieger. Danach lobte er die Rennfahrer der alten Zeit aufgrund ihrer Leistungen als Helden, weil sie einem völlig unergonomischen Wagen fuhren.

Von seinem Vater wusste Stuck, dass dieser wegen der vorbeiziehenden heißen Wasserrohre „sich immer wieder die Füße verbrannt habe“. Doch auch zu Hans-Joachim Stucks Zeiten war die legendäre Strecke noch immer etwas ganz Besonderes. Gründe dafür waren vor allem die lange Gerade, der nahe liegende Wald und natürlich die Zuschauernähe. Als Rennfahrer spürte Stuck die enorme Anspannung, wenn er in seinem Rennwagen saß. „Weil es eigentlich nur möglich war, etwas über die Bremsen zu holen, galt es, die Bremspunkte ultragenau umzusetzen“, so Hans-Joachim Stuck. Dabei handelte es sich um eine Herausforderung, die aus dem Blickwinkel des Fahrers deutlich anspruchsvoller ausfiel, als so mancher Rennsportler dachte.

Die AVUS-Strecke als Kulturraum

Die AVUS-Strecke funktionierte aber auch als Kulturraum. So machte der bekannte Fotograf F.C. Gundlach in der AVUS-Steilkurve einige stilprägende Modefotos. Sie waren nicht nur für die Modefotografie, sondern auch für das Berlin-Bild von Bedeutung.

Ein Berliner Original

Als Berliner Original, das beinahe eine ähnliche Bekanntheit erlangte wie die AVUS-Rennstrecke selbst, galt die Autoverkäuferin Heidi Hetzer, die auch als Rennfahrerin unterwegs war. In jungen Jahren brauste sie mit einem Opel, der als Vorführwagen ihres Vaters, eines Opel-Händlers, diente, über die AVUS-Strecke. Sie trennte einfach die Radkappen vom Opel Diplomat ab und brachte eine Startnummer an. Schlussendlich landete Heidi Hetzer auf Platz 2. Ihr Vater bekam jedoch erst am Tag danach davon Wind, als er die Zeitung las. Anschließend stauchte er seine Tochter gehörig zusammen.